Weizenhaltige Ernährung als Gefahrenquelle für unsere Gesundheit
Das Thema einer weizenhaltigen Ernährung wurde bisher häufig auf das sogenannte Klebereiweiß „Gluten“ reduziert oder im Kontext von allergischen Reaktionen, Sensitivitäten bzw. der Autoimmunerkrankung Zöliakie diskutiert. Bei Gluten handelt es sich um ein Stoffgemisch aus zwei Arten von Reserveproteinen, die jedes Getreide enthält – den Prolaminen und den Glutelinen. Dabei führt insbesondere das Gliadin (aus der Gruppe der Prolamine) bei allen Personen (unabhängig vom Genotyp oder der Aktivität einer Zöliakie) zu einer Immunreaktion sowie zu einer gestörten Darmbarriere. Die Folge ist dann eine vermehrte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut für Stoffe, die sie unter normalen Bedingungen nicht überwinden können.
Hintergrundwissen: Nach Dr. Alessio Fassano, einer der führenden Wissenschaftler im Bereich Gluten, fehlen dem Menschen die notwendigen Enzyme, um die Aminosäurensequenz des Glutens aufzubrechen. Eine Hypothese dazu ist, dass unser Darm aus evolutionärer Sicht nie die Notwendigkeit hatte, hohe Mengen glutenhaltiger Nahrung zu verdauen. Im Hinblick auf unsere enzymatische Ausstattung gäbe es keine Glutenverträglichkeit – jeder Mensch habe eine Unverträglichkeit. Die Frage sei nur, in welchem Maß und in welcher Form.
Die Probleme, die Weizen verursachen kann, liegen jedoch nicht nur im Gluten, sondern z.B. auch in den als Antinährstoffe bezeichneten „Lektinen“ oder in einer zu hohen Aufnahme von sogenannten „FODMAPs“. Diese Bezeichnung steht für „fermentable oligo-, di- and monosaccharides and polyols“ und es handelt sich um eine Kategorie von verschiedenen Kohlenhydraten und mehrwertigen Alkoholen, welche in vielen Nahrungsmitteln vorkommen – aber vom Dünndarm schlecht aufgenommen werden können.
Der Einfluss von Weizen auf das zentrale Nervensystem
Bis dato gab es keine Beweise oder eindeutigen Belege, dass eine weizenhaltige Ernährung auch entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems beeinflusst. Doch ein Forschungsteam der Universitätsmedizin Mainz hat in aktuellen Studien nun herausgearbeitet, dass bestimmte Weizenproteine die Schwere einer Multiple-Sklerose-Erkrankung fördern können.
Hintergrundwissen: Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. Dabei attackiert das Immunsystem in einer Überreaktion gesunde Nervenzellen, sodass diese fortlaufend zerstört werden. Die häufigsten Frühsymptome sind vorübergehende Empfindungsstörungen, Sehstörungen und Muskellähmungen. Ausgelöst wird die Erkrankung durch eine Kombination verschiedener Faktoren. Neben genetischen Faktoren können auch Umweltfaktoren (wie die Ernährung) den Verlauf der chronisch-entzündlichen Erkrankung beeinflussen. In Deutschland sind ca. 250.000 Menschen von MS betroffen. Dabei nimmt die Prävalenz – vor allem bei jungen Erwachsenen und Frauen – deutlich zu.
Bei der Belastung der MS-Erkrankung durch den Weizen sind die die sogenannten ATI-Proteine (siehe Abbildung oben) wohl wesentlich bedeutender als die zuvor erwähnten Glutenproteine. Die Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) sind natürliche Proteine, die in Getreiden wie Weizen, Gerste und Roggen vorkommen und kaum verdaut werden. Sie verursachen leichte Entzündungsreaktionen im Darm und die dadurch aktivierten Entzündungszellen und Botenstoffe können auch über den Blutkreislauf in andere Teile des Körpers transportiert werden.
Fazit
Die Studien der Universitätsmedizin Mainz belegen abermals, wie wichtig unsere Ernährung für unsere Gesundheit ist. Dabei spielen die positiven Eigenschaften des Weizens – wie (präbiotische) Ballaststoffe, B-Vitamine und mineralische Mikronährstoffe - genauso wie die zuvor aufgezeigten Wechselwirkungen mit dem Darmmikrobiom bzw. dem Darmimmunsystem eine wesentliche Rolle, die es für die Wissenschaft weiter zu erforschen gilt und die wir unseren Seminarteilnehmerinnen und Seminarteilnehmern vermitteln wollen. Dabei könnte ein spannendes Ziel sein, von den Vorteilen einer glutenfreien Ernährung zu profitieren und weiterhin auch die Vorzüge einer Ernährung mit Getreide im Hinblick auf Leistungsfähigkeit sowie Lebensqualität zu nutzen.
Quelle und weiterführende Informationen:
Universitätsmedizin Mainz, Institut für Translationale Immunologie - Bildquelle: Universitätsmedizin Mainz / Detlef Schuppan