Potenzial für unser psychisches Wohlbefinden oder doch nur Mythos?
Kakaobohnen und Zucker (sowie teilweise Milch) sind die wesentlichen Bestandteile unserer Schokolade. Für die Ernährungswissenschaft ist die Kakaobohne dabei besonders interessant, da sie eine der bekanntesten Quellen für sekundäre Pflanzenstoffe (Polyphenole) ist. Die hier enthaltenen Polyphenole können den Blutfluss zum Gehirn steigern und damit die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung erhöhen. Kann diese physiologische Wirkung vielleicht auch Einfluss auf unsere Stimmung haben?
Daneben den sekundären Pflanzenstoffen ist ein anderer Inhaltsstoff der Kakaobohne aber noch wesentlich berühmter - die Aminosäure Tryptophan ist die Vorstufe des "Glückshormons" Serotonin. Bei einem Mangel an dieser essenziellen Substanz ist die Produktion von Serotonin beeinträchtigt, was zu depressiven Verstimmungen führen kann. Ist das eventuell die Erklärung für unsere verbesserte Stimmung nach einer Tafel Schokolade?
Leider nein. Nach aktuellem Forschungsstand ist es unwahrscheinlich, dass die im Kakao enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe oder auch der Tryptophangehalt für emotionale Veränderungen verantwortlich sind - da durch den industriellen Herstellungsprozess der Polyphenolgehalt in der Schokolade um das (bis zu) Zehnfache reduziert wird und der Tryptophangehalt im Verlauf des Verarbeitungsprozesses um mehr als die Hälfte sinkt (von 235 auf 112 mg pro 100g Schokolade).
Schokolade und unsere Neurotransmitter
Interessantere Aspekte gibt es allerdings aus Sicht der Neurobiologie. Hier zeigen Untersuchungen (z.B. durch die Forschungsgruppe von Alexandra De Feliceantonio), dass die in der Schokolade enthaltenen Makronährstoffe Zucker und Fett eine solch kaloriendichte Kombination ergeben, die vom menschlichen Gehirn als äußerst belohnend wahrgenommen wird. Der Verzehr eines solchen Lebensmittels führt zur Freisetzung von Endorphinen im Bereich des Vorderhirns, die wiederum den Neurotransmitter Dopamin ausschütten. Ein weiterer wichtiger Faktor könnte zudem der Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA) sein, dem als "Bremspedal" eine beruhigende und angstlindernde Wirkung zugeschrieben wird - ein perfektes Zusammenspiel also zu dem "Gefühl des Vergnügens" durch das Dopamin.
Belohnung vs. Zufriedenheit - Impulsgedanken für eine ausgewogene und bewusste Ernährung
"Schokolade ist eine Belohnung für die Sinne." Diese Aussage der Schokoladenindustrie ist demnach aus Sicht der Neurobiologie korrekt. Allerdings sollten derartige Belohnungen nicht mit Zufriedenheit verwechselt werden. Trotz Ihrer Ähnlichkeit gilt es die Wörter "Belohnung" und "Zufriedenheit" grundlegend voneinander zu unterscheiden: Eine Belohnung ist von kurzer Dauer und hält nach dem Konsum von Süßigkeiten nur ungefähr 60 Minuten an - das Gefühl von Zufriedenheit ist ein langanhaltendes. Eine Belohnung kann durch Substanzen (biochemisch primär durch das Wirkspektrum von Dopamin) angeregt werden - Zufriedenheit (in Verbindung mit dem Serotoninhaushalt) ist grundsätzlich nicht durch Substanzen auszulösen. Sie bezieht sich auf verschiedene Lebensbereiche, wie soziale Beziehungen, persönliche Erfüllung oder emotionale Ausgeglichenheit.
Vor diesem Hintergrund ist der Zusammenhang von unserem Schokoladenkonsum und unserem psychischen Wohlbefinden zu bewerten. Der stimmungsaufhellende Effekt liegt offenbar im neurobiologischen Zusammenspiel von Zucker und Fett begründet. Diese Nährstoffkombination stimuliert unser Belohnungssystem und erzeugt ein kurzfristiges, befriedigendes Gefühl. Auf längere Sicht bleibt dagegen eine ausgewogene und bewusste Ernährung der Schlüssel für unser allgemeines Wohlbefinden...und der Schokoladenkonsum ein gelegentlicher und achtsamer Genussmoment.