Ursachen für mangelnde Zusammenarbeit
Wer hätte nicht gerne mehr „Kooperation“ im Unternehmen? – Wer wünscht sich nicht, dass alle Hände konstruktiv ineinandergreifen? Allerdings funktioniert die Zusammenarbeit in vielen Organisationen keineswegs so gut, wie es wünschenswert wäre. Ein weit verbreiteter Erklärungsansatz hierfür ist, dass die Kooperation am Menschen scheitert. Die These besagt, dass es den Mitarbeitern am echten Willen und am gegenseitigen Vertrauen fehlt. Es mangele an der Motivation und vor allem am Willen zur Verantwortungsübernahme. Doch gibt es nicht auch im Unternehmen bzw. in dem System selbst entsprechende Ursachen?!?
Kennzahlen und Zielsysteme
Vorneweg muss man klarstellen, dass Kennzahlen keine grundsätzlichen „Kooperationskiller“ sind – sondern lediglich potenzielle. Denn die kollektive Ausrichtung kann durchaus leiden, sofern man starr auf seine eigenen Ziele fixiert ist und alles, was einen von deren Erreichung (vermeintlich) abhält, weniger zählt. Neben den klassischen Zielsystemen können auch moderne OKRs („Objective & Key Results) – eigentlich Katalysatoren für Innovation, Mitarbeiterentwicklung, und Kulturwandel – solche Effekte mit sich bringen: Wenn eine Kollegin Unterstützung bei einem Projekt benötigt, das nicht in mein langfristiges Ziel „einzahlt“, könnte ein erster Kooperations-Knockout drohen.
Karriereleitern
Persönliches Wachstum ist ein Antreiber für viele Menschen in einem Unternehmen: Man könnte mit der Zeit immer größere Projekte betreuen – mehr Verantwortung übernehmen oder seine Kompetenzen (in Bezug zu den eigenen Interessen) stetig erweitern. Wenn wir in einem System das persönliche Wachstum einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters aber lediglich mit dem Aufstieg auf der Karriereleiter gleichsetzen und die Beschäftigten hierzu mit mehr oder weniger objektiven Kriterien vergleichen, kann die Zusammenarbeit durchaus beeinflusst werden. Im schlimmsten Fall entsteht durch die althergebrachte Karriereleiter sogar ein Klima voller Konkurrenz und Konflikte.
Arbeitszeit & Kostenträger
Die Zuordnung von Arbeitszeit zu einem Kostenträger soll in der Regel helfen, dass die Produktivität eines Unternehmens objektiv eingeschätzt werden kann. Durch diese sogenannte „verursachungsgerechte“ Buchung haben Teamwork und das kollektive Arbeiten plötzlich einen Preis: Wird meine Arbeitszeit dem „falschen“ Projekt zugeordnet, ist meine Produktivitätsbilanz in Gefahr – und Helfen könnte in manchen Fällen zunehmend unattraktiv werden.
Erwartete Methodentreue
Sollte man bei der Einführung von neuen Methoden (wie zum Beispiel Scrum oder Kanban) nicht verstehen, wofür sie eigentlich da sind und welche Probleme sie konkret lösen, wird eine Methode schnell zu einem Selbstzweck. Dann brauchen diesbezügliche Handlungen keine Rechtfertigung mehr und es entsteht eine vermeintlich „blinde“ Methodentreue – die von den Kolleginnen und Kollegen dann auch erwartet wird. Durch dieses Anspruchsdenken können Rollen (wie z.B. der Scrum Master) sehr starr interpretiert werden und der notwendige Blick „über den Tellerrand“ geht verloren.
Beurteilungssysteme
Neben den Zielsystemen haben auch die vorhandenen Beurteilungssysteme maßgeblichen Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter: Jedes Verhalten, jede Mitteilung, jede Entscheidung – muss zwar nicht – könnte aber zu einer schlechteren oder besseren Beurteilung führen. Kolleginnen und Kollegen inszenieren sich demzufolge als kooperativ, ohne es tatsächlich zu sein bzw. ohne es in dem Sinne zu sein, der wirklich hilfreich wäre. Irgendwann fällt es dann sogar schwer, im Unternehmen zwischen echten Kooperationsversuchen und aufgeführter Kooperation zu unterscheiden, was wiederum Misstrauen und weitere Folgereaktionen mit sich bringen kann.
Funktionale Abteilungsstrukturen
In einem Unternehmen sind ständig die verschiedenen Interessen miteinander abzustimmen: Kosten, Zeit, Qualität, Flexibilität, Image, etc.! Mit dem Ziel der Effizienz werden innerhalb der klassischen Organisationsstruktur sich ähnelnde Tätigkeiten zusammengefasst – es entstehen Abteilungen nach der jeweiligen Funktion. Demzufolge begegnen sich die verschiedenen Interessen jetzt an den Abteilungsgrenzen. Das war in den vergangenen Zeiten nicht unbedingt ein Problem, da Prozesse und Übergabepunkte einmalig vereinbart wurden und die Abteilungen dann nicht weiter kooperieren mussten. In der heutigen, schnelllebigen Arbeitswelt müssen die vielen Interessen aber durchaus häufiger miteinander (neu) abgewogen werden. Der Bedarf an abteilungsübergreifender Kooperation steigt deutlich. Doch dieser Kooperation steht die Abteilungsstruktur nun selbst im Weg. Denn jede Abteilung hat einen Anreiz, „ihre“ Interessen zu verteidigen. Kooperation wird so deutlich erschwert bzw. unwahrscheinlicher – und sie muss zum Teil auf informelle Strukturen ausweichen.
Überlastung
Die Arbeitsbelastung bzw. Überlastung ist ebenfalls eine ständige Gefahr für die doch so notwendige Kooperation: Wer überlastet ist, schaltet in den Überlebensmodus. Bis dann ein Gefühl von Kontrolle wieder einsetzt, ist an Unterstützung anderer und eine entsprechende Teamarbeit kaum zu denken. Betrifft dies nur einzelne Mitarbeiter kann die Kooperation durchaus auch darüber hinweghelfen. Geht es aber vielen Beschäftigten oder der gesamten Organisation so, dann schaltet das Unternehmen zwangsläufig in den Ausnahmezustand – und Kooperation und Kontrolle gehen verloren.
Diese Beispiele zeigen auf, dass die Herausforderungen auf dem Weg zur Kooperation durchaus sehr vielfältig sein können. Dabei scheint eine Frage wesentlich zu sein: „Lohnt sich Kooperation überhaupt (in unserem Unternehmen) oder schadet sie sogar?“ Die Quelle des geringen Kooperationsnutzens findet man typischerweise in den zuvor aufgezeigten Organisationsstrukturen und Managementinstrumenten. Obwohl diese der Arbeit dienen sollen, binden sie wertvolle Aufmerksamkeit und erweisen der Kooperation – und damit der Wertschöpfung – einen Bärendienst. Statt sich auf Zielsysteme, Karriereleitern und Methodentreue zu fokussieren, lohnt sich doch wieder die Ausrichtung auf das sichtbare Ergebnis und damit auf die externen Referenzen…denn dann spürt die Mitarbeiterin und der Mitarbeiter, dass sich Kooperation lohnen kann.
Quelle und weiterführende Informationen:
POPPENBORG: Wir führen anderes! Intrinsify, 2021.