GESUNDHEIT VS. ARBEITSSUCHT

GESUNDHEIT VS. ARBEITSSUCHT

Rund 10 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland zeigen ein süchtiges Arbeitsverhalten. Dabei kann man davon ausgehen, dass gerade diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders von einem Risiko für Burnout und depressiven Verstimmungen betroffen sind – was auch aus der Perspektive der dazugehörigen Betriebe und einzelnen Unternehmen problematisch ist.

Unfähig zum Feierabend – Entzugserscheinungen in der Freizeit

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Technischen Universität Braunschweig wurde ermittelt, wie viele Erwerbstätige in Deutschland ein zwanghaftes Verhältnis zur Arbeit haben und wie es in der Folge um deren Gesundheit bestellt ist. In diesem Kontext stimmten die Betroffenen solchen oder ähnlichen Aussagen zu:

„Es ist wichtig für mich, hart zu arbeiten, auch wenn mir das, was ich tue, keinen Spaß macht.“

„Es fällt mir schwer, zu entspannen, wenn ich nicht arbeite.“

„Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir frei nehme.“ 

Aber wann werden aus engagierten Erwerbstätigen eigentlich solche, deren Leben von der Arbeit dominiert wird? Dieser Frage haben sich Wissenschaftler schon vor Jahrzehnten gewidmet. 1971 prägte der Psychologe Wayne Oates den Begriff „Workaholic“, um zu beschreiben, dass einige Menschen ein Verhältnis zu ihrer Arbeit haben wie Süchtige zum Alkohol. Heute arbeitet die Forschung mit verschiedenen Kriterienkatalogen. International verbreitet ist etwa die "Dutch Work Addiction Scale", die auch in der oben beschriebenen Studie als Befragungsinstrument genutzt wurde. Suchthafte Arbeit lässt sich demnach anhand von zwei Dimensionen diagnostizieren. Erstens muss die jeweilige Person exzessiv arbeiten, das heißt: lange arbeiten, schnell arbeiten und verschiedene Aufgaben parallel erledigen. Der zweite Faktor als Voraussetzung für suchthaftes Arbeiten ist die „Getriebenheit“ der Erwerbstätigen: hart arbeiten, auch wenn es keinen Spaß macht, nur mit schlechtem Gewissen freinehmen, Unfähigkeit zur Entspannung am Feierabend, also „Entzugserscheinungen“ in der erwerbsarbeitsfreien Zeit.

Grafik Arbeitssucht

Gesundheitliche Probleme durch Arbeitssucht

Rund ein Zehntel der Befragten hat einen Bezug zu diesen beiden Dimensionen und wurde somit in die Kategorie `suchthaftes Arbeiten´ eingeordnet. In einem zweiten Schritt wurden die Angaben der Befragten zu ihrer (allgemeinen) Gesundheit sowie zu verschiedenen Arten von Beschwerden (z.B. Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme oder Nervosität) hinzugezogen. Innerhalb der Gruppe der Arbeitssüchtigen gaben 28% an, dass ihr allgemeiner Gesundheitszustand weniger gut oder sogar schlecht sei. Im Vergleich dazu gaben nur 14% der „gelassener Arbeitenden“ eine solche Einordnung ab.

Ähnlich ist das Ergebnis bei den abgefragten Beschwerden: Nur 8 % der suchthaft Arbeitenden gaben an, in den vergangenen zwölf Monaten beschwerdefrei gewesen zu sein (Vergleichsgruppe der „gelassener Arbeitenden“: 20%). Im Durchschnitt nannten sie für diesen Zeitraum 7,1 einzelne Beschwerden (Vergleichsgruppe der „gelassener Arbeitenden“: 4,3). Insgesamt sind alle Arten von Beschwerden bei den suchthaft Arbeitenden häufiger vertreten – insbesondere aber bei den psychosomatischen Beschwerden sowie bei den Schlafstörungen und der Niedergeschlagenheit. Ein deutlicher Unterschied ergab sich auch bei den Fehltagen und Arztbesuchen. Mit 45% meldete sich fast die Hälfte der arbeitssüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an keinem einzigen Tag im Jahr krank (Vergleichsgruppe der „gelassener Arbeitenden“: 36%). Außerdem gingen die Betroffenen bei gesundheitlichen Beschwerden seltener zum Arzt. Es deutet sich also an, dass suchthaft Arbeitende der Behandlung und Genesung ihrer Beschwerden weniger Beachtung schenken.

Schlussfolgerung & Fazit

Frühmorgens ins Büro und spätabends wieder raus, zu Hause noch einmal die Mails checken, einfach nicht loslassen können: Suchthaftes Arbeiten ist kein Randphänomen, das nur eine kleine Gruppe von Führungskräften betrifft – es ist nachweislich über unterschiedlichste Berufsgruppen hinweg verbreitet. Dabei sind die gesundheitlichen Folgen sowohl für den Betroffenen als auch für die Betriebe und die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge nicht zu unterschätzen.

Auf Grundlage dieser Zahlen und des aktuellen Forschungsstands ist das Etablieren einer Gesundheitskultur in den Unternehmen dringend geboten. Dabei spielen mit Sicherheit die betriebliche Gesundheitsförderung, die Partizipation der Beschäftigten und eine transparente Kommunikation elementare Rollen. Darüber hinaus können betriebliche Vereinbarungen in diesem Kontext bedeutsam werden, da sie als wichtige Instrumente der unternehmensinternen Regulierung – die exzessivem und zwanghaftem Arbeiten entgegenwirken können – angesehen werden.

Quelle und weiterführende Informationen:

VAN BERK, EBNER, ROHRBACH-SCHMIDT: Suchthaftes Arbeiten und Gesundheit. Hans-Böckler-Stiftung, 2023. (www.boeckler.de)

Themenbereich:

Healthy Leadership
Zahlen, Daten, Fakten - Statistik

Autoren:

André van de Kamp

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