Die Betrachtung unserer Zeit
Vorstellung Nr. 1: „Zeit ist Geld“
Ein alter Ratschlag für junge Kaufleute hat unsere Welt erobert. Diese Ansicht hat ein kollektives Spiel in Gang gesetzt und steht als Teilchenbeschleuniger für unsere Produktivitätssteigerung und die Vermehrung unseres Wohlstandes. Verrechnen wir Zeit in Geld, haben wir einen nimmermüden Anreiz, Aufgaben schneller zu erledigen und damit Geld zu sparen. Unsere Effizienz steigert sich maßlos und unsere „gewonnene Zeit“ wird häufig mit zusätzlichen Tätigkeiten gefüllt. Denn es wäre ja absurd, sie „ungenutzt“ zu lassen. Doch wir zahlen hier durchaus einen hohen Preis – denn es verschärft sich so eine Dynamik, die uns immer atemloser durchs Leben hetzen und gefühlte Zeitnot sowie mentale Erschöpfung produzieren lässt.
Impuls zum Umdenken Nr. 1: „Zeit ist Leben“
Da man Zeit (anders als Geld) nicht Ansammeln kann, dürfte man Zeit eigentlich auch nicht (immer) mit Geld gleichsetzen. Als sinnvoller Ersatz wäre hier das Leben – denn je dichter wir unsere Zeit befüllen, desto weniger erleben wir sie. Und durch eine gezielte Entschleunigung nehmen wir nicht nur eine enorme Anspannung aus unserem System, sondern wir öffnen uns auch wieder (mehr) für die Präsenz in dem einen Augenblick.
Vorstellung Nr. 2: „Pausen sind unproduktiv“
„Machst Du etwa schon wieder Pause?“ oder „Wir können uns keine Pause leisten.“ – In unserer Kommunikation wird häufig schon deutlich, wie wenig wir häufig von Pausen halten. Die oben aufgeführte „Zeit ist Geld-Logik“ lässt grüßen und viele betrachten eine Pause als notwendiges Übel. Eine Zeit der Unproduktivität und „aktive Zeiten sind gute Zeiten“ – und damit unterschätzen wir den Wert unserer Pausen kolossal.
Impuls zum Umdenken Nr. 2: „Pausen sind produktiv“
Pausen sind Zwischenzeiten, in denen wir zu uns kommen können…in denen wir uns Neuorientieren und Vorausdenken können…in denen wir Informationen sortieren und verarbeiten können…in denen wir Klarheit schaffen und Entscheidungen vorbereiten können…in denen wir Fantasieren und Träumen können…und vor allem in denen wir abschalten und uns erholen können.
Vorstellung Nr. 3: „Warten ist verlorene Zeit“
Warten hat einen besonders schlechten Ruf. Denn letztendlich wollen wir unsere Bedürfnisse sofort befriedigen und unsere Arbeitswelt ist auf pausenlose Aktivität ausgerichtet. Dann wird eine Pause durchaus sehr schnell als störender Bremsmechanismus wahrgenommen. Und das Schlimmste daran ist, dass wir die Zeit nicht kontrollieren können – denn wir können die Wartezeiten in der Regel nicht selbst festlegen und häufig auch nicht beschleunigen. Dadurch wird unser Bedürfnis nach zeitlicher Selbstbestimmung frustriert und es entsteht zusätzlicher Stress. Paradoxerweise stressen uns Wartezeiten oft sogar mehr als Phasen mit einer hohen Arbeitsbelastung.
Impuls zum Umdenken Nr. 3: „Warten ist gewonnene Zeit“
Eine wesentliche Chance liegt hier in der Änderung der Einstellung und in einem damit verbundenen Perspektivwechsel. Denn suchen wir nicht immer nach mehr Zeit? In der Wartesituation können wir sie finden. Beim Warten können wir uns Zurücklehnen und uns in der Sonne ausruhen oder aber neue Ideen entwickeln und unserer Kreativität freien Lauf lassen.
Wir haben nicht immer die Wahl, wie wir unsere Zeiten gestalten – aber letztendlich haben wir immer die Wahl, wie wir sie betrachten. Sowohl für unsere persönliche als auch für die betriebliche Gesundheit wird es dringend Zeit!
Quelle und weiterführende Informationen:
LESCH, GEISSLER, GEISSLER: Alles eine Frage der Zeit. Oekom, 2021.