Cortisol – Gesundheitliche Zusammenhänge und Optionen
Im menschlichen Körper sind verschiedene Hormone (als Botenstoffe und Informationslieferanten) an der Regulierung unseres Energieniveaus und damit auch an unserer gesundheitlichen Ausgangssituation beteiligt. Neben dem Testosteron gilt vor allem das, als Stresshormon bekannte, Cortisol als essenziell für die Bereitstellung von Energie, die Regulation kognitiver Funktionen und die Aktivität des Immunsystems. Das Cortisol wird vor allem in Stresssituationen, aber auch bei intensiven sportlichen Belastungen vom Körper freigesetzt. Dabei kann es – je nach Zeitpunkt und Ausmaß der Ausschüttung in den Blutkreislauf – Körperfunktionen verbessern oder verschlechtern.
Deep Dive: Cortisol
Cortisol wird über einen Regelkreis, die sogenannte Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse gesteuert und unter akutem Stress vermehrt ausgeschüttet. Dabei handelt es sich um ein kataboles Hormon, das sowohl die Proteinbiosynthese hemmt als auch den Proteinabbau in Muskeln und Knochen fördert. Diese Prozesse führen zu einer erhöhten Abgabe freier Aminosäuren ins Blut, die wiederum in der Leber zur Neubildung von Glukose eingesetzt werden. Glukose gilt als der wichtigste Einfachzucker in unserem Kohlenhydratstoffwechsel und ist somit von zentraler Bedeutung für den Energiehaushalt des Körpers. Cortisol hat außerdem einen immunsuppressiven Effekt. Es hemmt beispielsweise die Bildung bestimmter Zytokine und gilt damit als wichtiger Entzündungshemmer.
Auch unter Ruhebedingungen ist die Konzentration von Cortisol in unserem Körper nicht stabil. Neben saisonalen Schwankungen ist vor allem der zirkadiane Rhythmus – also die Fähigkeit unseres Organismus, physiologische Vorgänge innerhalb eines Tages zu synchronisieren – relevant. Das Cortisol hat in den frühen Morgenstunden sein Maximum und um Mitternacht die niedrigsten Werte. Hormonelle Veränderungen in der Pubertät, Hormonersatztherapien oder Schwangerschaften beeinflussen die Cortisolkonzentration teilweise deutlich. Auch unser Lebens- und Ernährungsstil (z. B. Rauchen, Alkoholkonsum, Mundhygiene, Schlaf sowie körperliche Aktivität) beeinflussen den Cortisolspiegel.
Exkurs: Die Messung des Cortisolspiegels
Cortisol ist im Speichel leicht zu erheben und eignet sich als labordiagnostischer Marker, da er verlässlich das freie, biologisch aktive Cortisol im Blut abbildet. Vor dem Hintergrund der zuvor erwähnten Schwankungen ist dies jedoch nicht auf eine einzelne Probenentnahme zu reduzieren – vielmehr sollte ein vollständiges Tagesprofil, mit mehreren Messzeitpunkte über den Tag verteilt, erhoben werden. Da das Cortisol durch viele Faktoren beeinflusst wird, werden zur Interpretation im besten Fall sogar verschiedene Tagesprofile zusammengenommen.
In der Stressforschung etabliert sich in den letzten Jahren zunehmend eine nicht-invasive Alternative zur Bestimmung von Cortisol im Speichel: das Haarcortisol als Marker für die kumulierte Aktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse. Bei einer Wachstumsrate des Haares von etwa einem Zentimeter im Monat lässt sich in einem Segment von 3cm die Cortisolproduktion der vergangenen drei Monate abbilden.
Cortisol und Stress
Unser Stress und die damit verbundenen Reaktionen sind adaptiv und entsprechend überlebenswichtig. Unter akutem Stress, wie zum Beispiel eine Auseinandersetzung mit einem Vorgesetzen, bereiten die psychologischen bzw. biologischen Mechanismen optimal unsere Kampf- und Fluchtreaktionen vor: Der Körper setzt Neurotransmitter und Hormone frei, die die Herzfrequenz erhöhen, eine schnelle und flache Atmung aktivieren und die Blutgefäße verengen, die wiederum die Verdauungsorgane versorgen und die Muskelaktivität beeinflussen, etc.!
Diese Reaktion wird in den ersten Sekunden bis Minuten durch das schnell agierende autonome Nervensystem mit der Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin aus dem sympathischen Nervenendigungen und dem Nebennierenmark gesteuert. Die etwas langsamere und verzögerte Reaktion der Cortisol-Stressachse mit ihrem Endprodukt, dem Stresshormon Cortisol, koordiniert in der Folge unsere weiteren stressbedingten Reaktionen und deren Beendigung.
Wenn der Stress in unserem privaten und beruflichen Alltag nun nicht nur von kurzer Dauer ist oder keine ausreichende Regeneration gewährleistet wird, kann das eigentlich Gute (und Überlebenswichtige) sowie Adaptive der Stressreaktion negative Folgen haben. Innerhalb des chronischen Stressgeschehens erfolgt ein dauerhafter Anstieg des Cortisolspiegels, wodurch weitreichende Symptomatiken entstehen können – von der Schlaflosigkeit, über Konzentrationsprobleme, Angstzustände und Gereiztheit sowie Muskelschmerzen und Bluthochdruck bis hin zu einem geschwächten Immunsystem.
Ernährungsverhalten und Gewichtsregulation
Das Stresshormon Cortisol mobilisiert (durch die Lipolyse und Glukoneogenese) Zucker innerhalb des Stoffwechsels, sodass dem Körper (relativ schnell) neue Energie bereitgestellt wird. Wird diese Energie nun – durch fehlende körperliche Aktivität – nicht verbraucht, wird der Zucker in Fett umgewandelt und als tiefliegendes Bauchfett abgespeichert. In der Folge können chronische Entzündungsprozesse entstehen, die wiederum als Risikofaktoren für Erkrankungen des kardiovaskulären Systems, für Krebserkrankungen oder auch Depressionen gelten.
Ein weiter Aspekt innerhalb unseres Essverhaltens ist, dass Cortisol (durch eine Verstärkung des Hormons Ghrelin) den Appetit anregt und (durch eine Hemmung des Hormons Leptin) die Sättigung dämpft. Außerdem kann ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel (durch die Hemmung der oben bereits erwähnten Proteinbiosynthese) zu einem Muskelabbau führen, wodurch die Muskulatur weniger Kalorien verbrennt. Zu guter Letzt kann auch eine veränderte Darmflora zu einer entsprechenden Gewichtszunahme führen. Bakterien, die mehr Energie aus der Nahrung gewinnen, nehmen zu und können so bewirken, dass mehr Fett eingelagert wird.
Möglichkeiten zur Senkung des Cortisolspiegels
Das Cortisol kann durch moderat-intensive und -andauernde Bewegungssequenzen abgebaut werden. Dabei dient der Sport auch als sogenannter „Stresspuffer“ – denn durch den erhöhten Energiebedarf in der körperlichen Aktivität wird die biologische Notwendigkeit eines erhöhten Cortisolspiegels geschaffen, der dann in der Folge auch wieder abgesenkt wird. Zu hohe Intensitäten bzw. eine zu hohe Dauer sind eher kontraproduktiv, da diese einen erneuten Stressreiz darstellen und die Produktion von Cortisol anregen. Empfehlenswert ist eine Kombination aus kürzeren hochintensiven Trainingseinheiten (2-3x pro Woche HIIT bzw. Krafttraining mit einer maximalen Dauer von 20 bis 30 Minuten) und längeren niedrigintensiven Episoden (Laufen, Radfahren, Yoga, etc.).
Neben dem richtigen Maß des Trainings hat auch der Ort der Aktivität einen entsprechenden Einfluss. Bewegung in der freien Natur und an der frischen Luft reduziert effektiver den Stress bzw. die Stresshormone. In der Resilienzforschung wird zudem vermutet, dass die sozialen Beziehungen – also die gemeinsame sportliche Betätigung und der Spaßeffekt – eine große Rolle für die „stresspuffernde“ Wirkung des Sports spielen. Parallel zu einem veränderten Sport- und Bewegungsverhalten können wir auch durch eine ballaststoffreiche Ernährung und ausreichend Schlaf unseren Cortisolspiegel positiv beeinflussen.