Gefährdungen beurteilen & Risikofaktoren minimieren
In einer schon etwas älteren forsa-Umfrage wurden im Auftrag der Dekra 1014 Beschäftigte zu einer vorhandenen psychischen Gefährdungsbeurteilung in ihrem Betrieb befragt. Das Ergebnis aus dem Oktober 2021 war damals ein entsprechendes Alarmsignal – denn 53% der Befragten gaben an, dass bei ihnen eine solche Gefährdungsbeurteilung nicht existieren würde und 15% waren sich zum Zeitpunkt der Umfrage nicht sicher. Ob sich dieses Ergebnis in den letzten drei Jahren wirklich signifikant verändert hat, wäre zumindest zu diskutieren…
Immerhin hatten zu diesem Zeitpunkt knapp zwei Drittel (65 Prozent) der Befragten den Eindruck, dass sich ihr Arbeitgeber aktiv um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten kümmert – obgleich tatsächliche Möglichkeiten zur Steigerung der Gesundheit und des Wohlbefindens und damit auch zur persönlichen Weiterentwicklung nicht überall vorhanden waren: Lediglich 45 Prozent der Beschäftigten gaben an, es gebe regelmäßige Feedback-Gespräche durch den Arbeitgeber. Maßnahmen zur Gesundheitsförderung (wie Rückenkurse, Ernährungsberatung oder Entspannungstrainings) gab es nach eigenen Angaben nur bei 40 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Dabei liegen die Fehlzeiten aufgrund von psychischen Erkrankungen seit Jahren auf einem hohen Niveau. Bereits im ersten Corona-Jahr 2020 erreichte zum Beispiel die registrierte Zahl der Fehltage durch eben diese psychischen Erkrankungen einen Stand von 265 Fehltagen pro 100 Versicherte im Jahr. Damit stieg der psychisch verursachte Krankenstand (laut DAK-Gesundheit) von 2010 bis 2020 um 56 Prozent. Dieser Trend ist auch bis heute ungebrochen.
Demzufolge lohnt es sich (neben der ohnehin vorhandenen gesetzlichen Verpflichtung) mehr denn je psychische Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz – wie Konflikte, Zeitdruck oder Multitasking – zu betrachten und gesundheitsgefährdende Faktoren zu identifizieren. Nach derzeitigem Stand der Forschung konnte bei folgenden Aspekten ein Zusammenhang zwischen der Belastung und einer Erkrankung nachgewiesen werden:
1) Hohe Arbeitsintensität
2) Geringer Handlungsspielraum
3) Aggressives Verhalten am Arbeitsplatz
4) Geringe soziale Unterstützung
5) Hohe Leistungsanforderung bei geringer Wertschätzung
6) Arbeitsplatzunsicherheit
7) Überstunden
8) Rollenstress
9) Schichtarbeit
Im iga.Report 31 der Initiative Gesundheit und Arbeit hat Studienleiterin Renate Rau und ihr Team von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg diese Faktoren herausgearbeitet. Dabei ist das Risikopotenzial beim sogenannten „Job Strain“ besonders deutlich – also die Kombination von hoher Arbeitsintensität mit geringem Handlungsspielraum. Mit diesem Wissen gilt es die Hausaufgaben sowohl im Hinblick auf die Gefährdungsbeurteilung als auch in Bezug zu einer gesundheitsförderlichen Führung zu erledigen. Zufriedenere, motiviertere und damit leistungsfähigere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden dadurch obligatorisch.
Quelle und weiterführende Informationen:
RAU: Risikobereiche für psychische Belastungen (iga.Report 31). iga, 2015.